Der Ring

Die Gesellschaft ist dem Untergang geweiht

Musikdramaturg Lothar Krause im Gespräch mit Regisseur Reinhardt FrieseKrause: Die aktuelle Spielzeit des Theaters Hof steht unter dem Motto „Arbeiter, Glücksritter und Tyrannen“. Da scheint Frank Nimsgerns Musical „Der Ring“ mit den Hauptthemen Macht, Gier, Verantwortung und Freiheit des Menschen wie geschaffen. Friese: Ja, absolut. In dem Stück geht es ja um die Frage, wie man mit Macht umgeht. Beispielsweise auf Seiten der Götter: Göttervater Wotan, der in Nimsgerns Fassung als einzelner Gott übrig geblieben ist, aber eigentlich keine Verantwortung spürt. Das Gegenstück zu Macht wäre ja die Verantwortung. Wenn ich die Macht habe, etwas zu entscheiden oder über Leute zu verfügen, muss ich dies mit einer bestimmten Verantwortung tun, sonst missbrauche ich meine Macht. Im Wesentlichen ist „Der Ring“ ein Stück über diesen Machtmissbrauch, weil Wotan diese Verantwortung nicht wahrnimmt. Er sieht alle um sich herum nur als zuarbeitende Wesen, die ihm bei der Ausführung seiner Pläne gehorchen sollen, denen jedoch keine eigene Wichtigkeit zukommt. Krause: Das spielt auch im Vater-Tochter-Konflikt eine entscheidende Rolle? Friese: Laut Wotan darf Brunhild keine eigene Meinung haben. Sie ist, wie alle anderen, einfach nur dafür da, seine Befehle auszuführen. Dort ist auch die Grenze zwischen Gott und Untergebenen aufgehoben, beziehungsweise Vater und Tochter. Er benimmt sich seinem Kind gegenüber eigentlich wie ein Vorgesetzter, weniger wie ein Vater. Das taucht ebenso in der Beziehung zwischen Alberich und Siegfried auf: In der Bearbeitung von Frank Nimsgern schafft Alberich den Helden aus Stahl und Eisen, dem er sagt „Ich bin dein Vater. Tu dies oder jenes.“, um ihn moralisch zu manipulieren. Somit wird ein Nachkomme, ein Sohn, geschaffen, der als Handlanger dienen soll. Insofern ist es fast folgerichtig, dass sich Brunhild und Siegfried am Schluss gegen ihre Väter wenden und ihre Freiheit und ihr persönliches Glück abseits dieser Bindungen suchen. Krause: Sie erzählen die Geschichte über das berühmte Rheingold und die verheerende Macht des Rings nicht in einer fernen Vorzeit oder dergleichen. Mit Ihren Ausstattern Herbert Buckmiller und Annette Mahlendorf haben Sie eine Form gefunden, die Konflikte der Geschichte aus einer neuen Sicht zu schildern. Friese: Der Anspruch bei Nimsgerns „Ring“ ist nicht unbedingt, dass man die nordische oder germanische Götterwelt betreten muss, denn es geht eigentlich um Machthaber und Eltern und um Untergebene und Kinder dieser Eltern. Das Stück beginnt in den Tiefen des Rheins, wo Alberich auf die Rheintöchter trifft und sich des Rings und des Rheingolds bemächtigt. Zudem ist oft in den Songs von Alberich vom dem sinkenden Schiff die Rede. Nimsgern beschreibt in seiner Ouvertüre, dass die Gesellschaft eigentlich zerstört und dem Untergang geweiht ist. Über diese Inspirationen kamen wir auf den Gedanken, wie wäre es, einen untergegangenen Luxusliner als Bild für die Menschheit zu nehmen – ein Luxusliner wie die Titanic. Das Schiff und die Menschheit sind auf Grund gelaufen - das war unser Ausgangsbild, weswegen wir das Ganze in einem großen Salon eines solchen Schiffs spielen lassen. Daraus haben sich weitere Gedanken ergeben. Beispielsweise die Frage nach Nibelheim ließ sich schnell beantworten: das muss der Maschinenraum sein – dort, wo die Leute geknechtet arbeiten. So wird aus Wotan schnell so etwas wie der Besitzer von diesem Schiff. Krause: Die Uraufführung des Musicals fand 2007 an der Bonner Oper statt, jedoch dürfen die Hofer Zuschauer einige Neuerungen erwarten. Friese: Frank Nimsgern spricht immer von „Der Ring – Reloaded“. Er ist mit der Lust auf uns zugekommen, sich wieder auf die Reise zu begeben, um mit 8 Jahren Abstand zur ersten Aufführung einen frischen Blick auf sein Werk zu werfen, Stärken und Schwächen zu hinterfragen und zu schauen, welche Phantasien mit einem neuen Regisseur als Arbeitspartner entstehen. Im Prinzip spielen wir eine Fassung, die wir für das Theater Hof bereits umgearbeitet haben. Neben Eingriffen in die Dialoge sind teilweise Songs der Uraufführungsversion rausgefallen, gleichzeitig einiges Neues hinzugekommen. Wir haben einen anderen Weg gefunden, das Stück zu erzählen, wodurch es ein deutlich anderer Abend als in Bonn wird. Wir versuchen, die Geschichte ernst zu nehmen und das nötigt den Darstellern auch ein gewisses Pathos und eine gewisse Größe ab, sonst kann man so eine Geschichte mit einem Schwert und einem Drachen auch gar nicht erzählen. Das kann sonst schnell lächerlich werden. Umgekehrt merken wir aber, dass es mit der Größe, welche die Musik vorgibt, gut zusammenpasst.
DER RING-Regisseur und Intendant Friese

DER RING-Regisseur und Intendant Friese


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